الثلاثاء , 23 أبريل 2024

البيان الختامى لمؤتمر الأئمة قى فيينا لعام 2006

Schlusserklärung der Konferenz
Den Islam in Europa theologisch als kompatibel mit den Prinzipien der
Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, des Pluralismus und der Menschenrechte
zu verorten, ist der Standortbestimmung der “Konferenz Leiter islamischer
Zentren und Imame in Europa” im Jahre 2003 in der damaligen europäischen
Kulturhauptstadt Graz gelungen. Gleichzeitig wurden jegliche Form von
Fanatismus, Extremismus und Fatalismus klar verurteilt. Damit wurde nicht
nur innermuslimisch ein wichtiges Zeichen der Orientierung gesetzt, sondern
es sollte auch der Integrations- und Identifikationsprozess der Muslime, die
in der Vielfalt ihrer ursprünglichen Herkunft ca. 50 Millionen Personen in
Gesamteuropa umfassen, durch die Betonung des Partizipationsgedankens
befördert werden. Als Zeugnis muslimischen Selbstverständnisses sollte aber
auch nach außen ein wichtiges aufklärendes Signal getätigt werden, das
Ängsten und Vorbehalten entgegenwirken könnte, um das friedliche und von
gegenseitigem Verständnis und Respekt getragene Miteinander zu bestärken.

2006 muss von den Konferenzteilnehmern nüchtern festgestellt werden, dass es
noch großer Anstrengungen auf allen Seiten bedürfen wird, um die Akzeptanz
der Muslime in der Mehrheitsgesellschaft zu erreichen. In verschiedenen
europäischen Ländern sind soziale und wirtschaftliche Spannungen
gleichzeitig in Zusammenhang mit einer oft aggressiv und emotional geführten
“Ausländerdebatte” zu bringen. Muslime werden pauschalierend benutzt, um ein
Bild des “Fremden” entstehen zu lassen, das in Zeiten der Unsicherheit Halt
in einer negativen Abgrenzung bietet. Es scheint, als solle damit ein
“Wir”-Gefühl erzeugt werden, das Gesellschaften, die massiv unter einem
Verlust des sozialen Zusammenhangs leiden, zunehmend abhanden kommt.

Gleichzeitig sehen sich Muslime einem starken Rechtfertigungsdruck
ausgesetzt, da nach dem Prinzip “bad news is good news” in der öffentlichen
Wahrnehmung die Krisenberichterstattung Bilder von Aggression und Gewalt,
oft an außereuropäischen Schauplätzen, in den Vordergrund rückt. In der
Diskussion tauchen immer wieder Kritikpunkte auf, die anhand einzelner
Missstände eine Unverträglichkeit “islamischer” mit “westlichen” Werten zu
konstruieren suchen. Hier wird es von Seiten muslimischer Gelehrter nicht
genügen, sich mit dem Verweis, dass solcherlei negative Erscheinungsformen
im Gegensatz zur islamischen Lehre in überkommenen Traditionen wurzelten,
als nicht weiter zuständig zu erklären. In der theologischen Argumentation
liegen schließlich große und erprobte Möglichkeiten, nachhaltige
Bewusstseinsveränderungen herbeizuführen. Diese sollen als Teil der Lösung
aber auch erkannt, respektiert und im öffentlichen Diskurs gefördert werden.

Die Moderne rückt die persönliche Verantwortung jedes einzelnen mündigen
Bürgers stärker als je in den Mittelpunkt. Wir stehen vor gewaltigen
Herausforderungen, was die Bewahrung von Frieden und Sicherheit, die Frage
sozialer Gerechtigkeit und den Erhalt der Umwelt betrifft. Die Religionen
leisten mit ihrem Appell zu verantwortlichem Handeln, das vom Gedanken an
das Wohl anderer getragen sein soll, einen entscheidenden Beitrag. Sie
können einen positiven Ausgleich zu auf Konsum ausgerichteten, an der
individuellen Spaßoptimierung abgestellten Lebenseinstellungen schaffen.

Der Islam trägt einen lösungsbezogenen Ansatz in sich, indem Vielfalt als
gottgewollt nicht in Frage gestellt werden soll, sondern gelassen in mehr
Kenntnis mündend nutzbar zu machen ist. “Gute Werke” bilden eine Maxime des
Handelns. Wie eng Friede und Gerechtigkeit zusammen liegen, zeigt der
Anspruch diskriminierungsfreien, gerechten Umgangs miteinander auf,
unabhängig von Herkunft, Religion, gesellschaftlichem Ansehen oder Alter:

“Diejenigen, die glauben und ihren Glauben nicht mit Unrecht vermischen, sie
sind es die Sicherheit haben und sie sind es, die rechtgeleitet sind.” (Sure
6, Vers 82)

Die Konferenz beschäftigte sich in Arbeitsgruppen detailliert mit einzelnen
Aspekten:

Daraus gingen folgende Überlegungen hervor:

Integrationssoziologie

Der religiöse Anspruch persönliche Bereitschaft zu zeigen, Verantwortung für
das Allgemeinwohl zu übernehmen, bildet die Grundlage eines integrativen
Zugangs, der den jeweiligen Lebensmittelpunkt zum vordringlichen Radius
macht. So ist es natürlich, dass Muslime das Gastarbeiterimage zu überwinden
suchen. Sie betrachten sich nicht als “Fremdkörper”, sondern als lebendigen
Teil Europas. Große historisch gewachsene muslimische Populationen sind eine
Tatsache. Der Islam ist auch aus der Leistung seines großen
wissenschaftlichen und kulturellen Erbes direkter Bestandteil der
europäischen Identität.
Integration und Assimilation dürfen als Begrifflichkeiten nicht vermischt
werden, wie dies bisher oft der Fall ist. Die Interaktion mit der
Mehrheitsgesellschaft darf nicht zur Voraussetzung haben, bedingungslos
Religion, Kultur und sprachliche Vielfalt aufgeben zu sollen. Die mit
Assimilationsforderungen implizierte Annahme der Minderwertigkeit des
“anderen” führt zu Abkapselung und Ghettoisierung.
Integration ist keine Einbahnstraße, sondern als beidseitiger Prozess zu
verstehen. Als aktiver und sichtbarer Teil suchen sich Muslime auf allen
Gebieten bereichernd und ergänzend zu beteiligen: wirtschaftlich, kulturell,
wissenschaftlich, politisch, sozial. Voraussetzung hierzu ist die
Beherrschung der Landessprache als Instrument der Kommunikation. Von der
Mehrheitsgesellschaft erwarten wir ein Bekenntnis zu Diversität, eine
Haltung gegen Tendenzen von Rassismus und Diskriminierung. Anreize und
Möglichkeiten der verbesserten Partizipation liegen in der erleichterten
Einbürgerung bei gelungener Integration, bei der Familienzusammenführung,
beim Zugang zum Arbeitsmarkt, diversitiy management, positiver
Diskriminierung und Quoten, der Nostrifizierung ausländischer Bildungsgänge,
der demokratischen Teilhabe (z.B. kommunales Wahlrecht).
Bei der Definition und der Verwendung des Begriffs “Parallelgesellschaft”
soll mehr Sorgfalt gehegt werden. Die berechtigte Pflege von Kultur und
Religion innerhalb eines geschützten Raumes soll nicht bereits unter den
Generalverdacht von bewusster Abkapselung gestellt werden. Die
Querverbindungen, Vernetzungen und der Dialog nach draußen zeigen, dass es
hier nicht um eigene Abschottung, sondern um “community”-Bildung geht, deren
Ziele, etwa in der Aufgabe sozialer Aufgaben, der Gesellschaft zugute kommen
können. In einer Zeit wachsenden Pluralismus wäre es von Vorteil, wenn sich
eine Einstellung durchsetzen könnte, die es als selbstverständliche
Gegebenheit betrachtet, dass die Bevölkerung verschiedenste Interessens- und
Neigungsgruppen umfasst, die möglichst in Ergänzung und Bereicherung
vielfältige Überlappungen und Schnittstellen bilden.
Unter diesem Aspekt sind auch Anstrengungen von muslimischer Seite zu
betrachten, die Institutionalisierung eigener Einrichtungen anzustreben.
Kindergärten, Schulen oder auch die Moscheeaktivitäten dürfen nicht als
“antiintegratives Gegenmodell” mit einer Vorverurteilung belegt werden. Denn
erste Erfahrungen beweisen, dass kluge und pädagogisch ausgereifte Konzepte,
die auch Elemente der Kooperation und Vernetzung mit anderen Einrichtungen
aufweisen,  das Empowerment der jungen Generation stärken können, aber auch
Brückenbaufunktionen übernehmen können.
Moscheen stellen einen wesentlichen Aspekt im muslimischen Gemeindeleben
dar. Ihre Unabhängigkeit, auf geistig-moralischer Ebene wie finanziell, ist
ein Schlüssel für die authentische Entwicklung der Identität eines “Islam in
Europa”. Imame und andere Funktionsträger, Männer und Frauen, innerhalb der
muslimischen Community sind wichtige Multiplikatoren und haben
Vorbildfunktion. Die Beteiligung von Frauen ist zu fördern. Um die
Lebenswirklichkeit der Gemeinde in der Arbeit aufgreifen zu können, ist
nicht nur sprachliche Kompetenz (Erwerb der Landessprache) eine
Voraussetzung, sondern auch Wissen um gesellschaftliche Strukturen und
Entwicklungen. Denn im Islam sind gesellschaftliche Rahmenbedingungen
unbedingt bei der Beantwortung religiöser Fragen auf Basis der Quellen zu
berücksichtigen. In der Aus- und Fortbildung der Imame steckt in Europa noch
ein großes Entwicklungspotenzial. Sie sollen aus der Rolle der Respektperson
heraustreten und zur Vertrauensperson werden, wozu es vermehrter sozialer
Kompetenz bedürfen wird. Gebraucht werden eigene Bildungsinstitutionen, aber
auch gezielte Weiterbildungsprogramme, die an den lokalen Bedürfnissen
orientiert sind. Die Moschee soll auch in ihrer traditionellen Rolle als
sozialer Knotenpunkt ins allgemeine Bewusstsein treten, indem entsprechende
Aktivitäten von einer offenen Haltung nach draußen begleitet werden.
Viel versprechend erscheinen hier die Ansätze von Bradford / England, wo
eine Einbindung der lokalen Moschee-Gemeinden und Imame in
Fortbildungsprojekte erfolgt.
Presse- und Meinungsfreiheit sind ein unverzichtbares und allgemeines Gut.
Es besteht kein Widerspruch zur Religionsfreiheit, da beide eng miteinander
verknüpft sind. Meinungsfreiheit soll in Verantwortung ausgeübt werden und
in Beachtung gegenseitigen Respekts. In Europa hat sich – von Land zu Land
teilweise auch mit Unterschieden- doch ein gewisser gesellschaftlicher
Konsens gebildet, wo Bereiche liegen, die eines besonderen Feingefühls
bedürfen. Auch Gesetze kennen – wieder in unterschiedlicher Form –
Paragraphen mit Schutzbestimmungen. Wir sehen, dass sich im Umgang mit dem
Islam ein solcher Konsens erst noch bilden muss. Da wir uns zum Dialog als
beste Lösung im Konfliktfall bekennen, sehen wir hier auch die beste
Möglichkeit mehr gegenseitiges Verständnis zu erreichen.

Bildung

Bildung ist im Islam geradezu eine Lebenseinstellung, da lebenslängliches
Lernen vorausgesetzt wird. Die Zugänglichkeit ist unabhängig von der
sozialen Schicht zu gewährleisten. Viele Probleme ließen sich über
Bildungsmaßnahmen konstruktiv angehen, indem damit eine Stärkung der
Persönlichkeit, die Fähigkeit zu Selbstreflexion und Eigenkritik einhergeht.

Horizonte zu erweitern wird aber auch gezielter Förderung der
Mehrheitsgesellschaft bedürfen. Die soziale Durchlässigkeit des
Bildungssystems ist in vielen europäischen Staaten problematisch, wovon
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders betroffen sind.
Die Problematik von “Ghettoschulen” oder die hohe Zahl von Migrantenkindern
in Sonderschulen soll vor dem sozialen Hintergrund gesehen werden und nicht
als kulturell oder religiös bedingtes Phänomen.
Chancengleichheit muss aktiv gefördert werden. Dazu gehören Investitionen in
frühzeitigen Spracherwerb, Lernbegleitung und Lernberatung und beidseitige
interkulturelle Kompetenz. Moscheen und muslimische Vereine können hier
aktiv eingebunden sein. Gleichzeitig geht es um den Abbau von Rassismus und
Islamfeindlichkeit. Schulbildung prägt fürs Leben, weshalb Stereotypen, die
über den Islam auf diesem Wege verbreitet wurden, besonders schwer zu
überwinden sind, wie eine Schulbuchstudie von Frau Prof. Susanne Heine für
Deutschland und Österreich nachwies. Heute bemüht man sich stärker und der
Problematik bewusster um einen einfühlsamen und aufklärerischen Ansatz bei
der Behandlung des Islam in Schulbüchern. Diese Tendenz ist noch zu
verstärken und unterstützen.
Unbestritten ist die positive Rolle des Kindergartens auf die Entwicklung
des Kindes. Die Vorteile für sprachliche und soziale Entwicklung sind so
groß, dass hier der Keim für ein späteres positives Fortkommen liegt. Die
Empfehlung für den Kindergartenbesuch ist verbunden mit dem Hinweis, dass
die Attraktivität für muslimische Eltern wesentlich zu steigern wäre, könnte
auf ihre speziellen Bedürfnisse unter den Stichworten Interkulturalität und
Beachtung religiöser Praxis (halal-Speiseangebot) besser eingegangen werden.
Muslimische Kindergärten, die hier ein maßgeschneidertes Angebot haben,
können oft gerade Kinder erreichen, deren Eltern sonst von einem Besuch
Abstand genommen hätten. Als Programm zur späteren besseren Integration in
die Regelschule sollen sie mehr Förderung erfahren.
Religionsunterricht im Islam im Rahmen des Regelunterrichts an öffentlichen
Schulen soll endlich als wirksames Instrument der Integration wahrgenommen
werden. Die sichtbare Gleichstellung mit anderen Religionsgemeinschaften
wirkt sich günstig auf das Zugehörigkeitsgefühl aus. Der in seiner Bedeutung
unbestrittene Dialog der Religionen wird sich nur an die Basis tragen, wenn
auch seine Mitglieder religiöse Wurzeln und Werte kennen. Darüber hinaus
trägt Religionsunterricht zur Identitätsbildung aktiv bei, indem
Unterschiede zwischen religiöser Lehre und kulturell bedingten Traditionen
aufgezeigt werden und das Bewusstsein als Teil der europäischen Gemeinschaft
gestärkt wird. Realitätsbezogener Unterricht in der jeweiligen Landessprache
soll extremistische Meinungen als solche bloßstellen und einer
Selbstethnisierung durch sprachliche oder vom Ursprungsland herrührende
Ghettoisierung vorbeugen. Diese Qualität des Unterrichts soll sich auch auf
die Entwicklung der Koranschulen in den Gemeinden mit ihrem zusätzlichen
Angebot vor allem auf dem Gebiet der Koranrezitation und der Pflege der
Muttersprache positiv niederschlagen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die
Entwicklung didaktisch geeigneter Lehrmaterialien zu legen. Liedtexte,
Kopiervorlagen und Bücher sollen im Einklang mit dem offiziellen
approbierten Lehrplan und seiner Zielrichtung stehen. Die Lehrpläne und
Lehrbücher werden ständig reformiert und an die neuen Gegebenheiten
angepasst.
Erwachsenenbildung ist mehr als einzig Sprachunterricht. Hier sollen
gezielte Programme sinnvolle Freizeitgestaltung fördern.

Politik

Eine Wurzel von großen Missverständnissen liegt in dem Vorwurf an die
Muslime, ein gespaltenes Verhältnis zum Staat zu haben, indem sie den
Gedanken der Trennung von Macht- und Aufgabenbereichen zwischen politischer
und geistlicher Führung nicht vollzogen hätten. Hier wäre ein historisch
genaueres Bewusstsein sehr hilfreich, das auch die Entwicklung der
islamischen Länder berücksichtigt, was in den schulischen Lehrplänen fast
völlig vernachlässigt wird. Dieses Wissen könnte von Muslimen vielfach als
überheblich empfundene eigenzentrierte Sichtweisen positiv erweitern und die
prinzipielle Vergleichbarkeit historischer Abläufe hinterfragen, die jetzt
unter dem Stichwort “mangelnde Aufklärung” im europäischen Diskurs zum
Allgemeinplatz wurde. Die Aufgeschlossenheit gegenüber den Wissenschaften
wurde ein wesentlicher Faktor für die Entwickeltheit islamischer
Gesellschaften, von der auch Europa gerade als Impulse für die Aufklärung
profitierte. De facto war die politische Führung über weiteste Strecken der
islamischen Geschichte autonom und gestaltete sich nicht in Personalunion
mit den religiösen Würdenträgern.
Umgekehrt kann besseres historisches Verständnis der europäischen Geschichte
Muslimen gewisse Befindlichkeiten erklären und das gegenseitige Verständnis
vertiefen.
Auch der Begriff “Scharia” wird immer wieder völlig falsch interpretiert
(etwa als “Strafrecht”) und angewendet, woraus große Ängste und
Abwehrhaltungen   resultieren. Auch hier appellieren wir an die gebotene
Sachlichkeit und korrekte Definition, die in der Betonung des dynamischen
Charakters bei der Auslegung der Quellen gerade geeignet ist, Vorurteile zu
entkräften.  Wie kontraproduktiv Scheinwissen ist, zeigt die wiederholt laut
gewordene Forderung nach “Abschaffung der Scharia”, die völlig absurd ist,
da die Scharia die Glaubenspraxis auf Grundlage der Quellen regelt, also
etwa Fragen nach der Gebetswaschung, der Höhe der sozial-religiösen
Pflichtabgabe für Bedürftige usw. Solche unqualifizierten Äußerungen können
dem nötigen vertrauensbildenden Prozess nur abträglich sein, da er von
Muslimen als Ruf nach Abschaffung des Islam verstanden werden muss.
Die Vereinbarkeit einer demokratischen Ordnung mit dem Islam wurde
wiederholt durch offizielle muslimische Erklärungen unterstrichen. Die
Identifikation mit dem Staat ist dann naturgemäß besonders hoch, wenn eine
größtmögliche Deckungsgleichheit mit persönlichen Wertvorstellungen damit
einhergeht. Somit ist das Modell des Anerkennungsstatus für den Islam, wie
es in Österreich besteht, tatsächlich besonders geeignet, da es über die
emotionale Ebene der Zugehörigkeit einen institutionalisierten Dialog mit
sich bringt. Damit wird mit und nicht über Muslime geredet, können
Sachfragen im Lande geklärt werden, ohne dass man auf ausländische Gutachten
zurückgreifen müsste, die immer die Problematik in sich bergen, weder der
konkreten Situation völlig angemessen zu sein, noch eigenständig aus der
lokalen muslimischen Community erwachsen zu sein, die sich statt mit der
geforderten Eigenständigkeit oft “von außen” bestimmt sehen würde.
Die Teilhabe von Menschen mit muslimischem Hintergrund an demokratischen
Entscheidungsfindungsprozessen soll gesteigert werden. Die Imame weisen
nicht nur darauf hin, passiv persönlich vom Wahlrecht Gebrauch zu machen,
sondern auch aktive Möglichkeiten der Partizipation z.B. in
Elternvertretungen von Schulen oder bei ArbeitnehmerInnenvertretungen aktiv
zu unterstützen, aber auch innerhalb der Parteienlandschaft.
Die Politik ist gefordert ihren Part im beidseitigen Prozess der Integration
ernst zu nehmen. Hand in Hand mit integrationspolitischen Maßnahmen sollten
solche zum Abbau von Fremdenfeindlichkeiten in all ihren Erscheinungsformen,
auch jener der Islamfeindlichkeit, greifen. Mit Besorgnis sind Tendenzen
festzustellen, wo diskriminierende Haltungen gegen Muslime in die Politik
Eingang finden. Hier soll es keine Sondergesetze geben, denn Muslime dürfen
nicht mit einer Art Generalverdacht belegt werden. Die Beweislastumkehr ist
ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit.
Rassismus ist Unrecht und jede Herrschaft, die darauf gründet, ist
illegitim. Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind
aufarbeitungsbedürftig. Auch Muslime sind nicht vor Rassismus gefeit. Die
Imamekonferenz spricht sich gegen jede Form von Rassismus und von ethnischer
Diskriminierung innerhalb der muslimischen Gemeinden Europas aus.

Wirtschaft

Wohlstand soll im Islam nicht auf Kosten anderer erworben werden, sondern
mit
Verantwortung verbunden sein – Gesellschaftlich unter dem Aspekt
sozialer

Gerechtigkeit und ökologisch unter dem Gesichtspunkt nachhaltigen
Wirtschaftens,

das sorgsam mit den Ressourcen umgeht und die Schöpfung zu pflegen
und zu

bewahren sucht.

Menschenwürdiges Leben in Gegenwart und Zukunft zu sichern ist aus
islamischer ökonomischer Sicht mit einer Reihe ethischer Richtlinien
verbunden. Dazu gehören ein Zinsverbot, ein Monopolverbot, das Verbot von
Spekulationen und die Pflicht zu einem verantwortungsvollen Umgang mit
Konsum und Rohstoffen.
Islamische Wirtschaftsgebote setzen darauf, dass Geld im Fluss bleiben soll.
Parallel dazu ist auch die dritte Säule des Islam zu sehen, die als
sozial-religiöse Pflichtabgabe einen Anteil von 2,5% des stehenden Vermögens
als zu leistende “Reinigung” an Bedürftige abzugeben befiehlt. Hier geht es
um Umverteilung im Sinne der Sicherung der Grundbedürfnisse jedes einzelnen
Mitglieds der Gemeinschaft.
Zinsgeschäfte bringen durch den damit verbundenen Mechanismus des
Kapitalhortens durch Banken mit sich, dass Geld im Umlauf fehlt. Die
Reduzierung des Investitionsvolumens kann Arbeitslosigkeit verursachen, den
Wettbewerb verfälschen, gesellschaftliche Spannungen verursachen.
Staatverschuldung ist ein gewaltiges Problem nicht nur der dritten Welt.
Ruin und Verelendung betreffen ganz Bevölkerungsgruppen.
Alternativen zum Zinsgeschäft wären durch Muslime weiterzuentwickeln und zu
fördern. Die Nachfrage zeitigte bereits jetzt, dass westliche Banken
islamische Geschäftszweige anbieten und dabei muslimische Experten
beschäftigen.
Muslime in Europa werden als Konsumenten ein immer stärkerer Faktor. Der
Markt reagiert zunehmend, etwa auf dem Lebensmittelsektor, wo
Halalzertifizierung  Bedürfnisse dieser Käuferschicht decken soll. Das
islamische Reinheitsgütesiegel wäre europaweit in standardisierter Form zu
verwenden und sollte nach einheitlichen Kriterien vergeben werden, um hier
muslimischen Konsumenten Sicherheit zu gewähren.

Frauen

Mann und Frau sind im Islam gleichwertige Partner, die gegenseitige
Verantwortung tragen und gleich an Menschenwürde sind. Das Recht auf Lernen
und Lehre, das Recht auf Arbeit, finanzielle Unabhängigkeit, aktives und
passives Wahlrecht, Teilhabe im gesellschaftlichen Diskurs sind  Pfeiler,
die den Status absichern sollen. Chancengleichheit und mündige und freie
Orientierung soll Frauen ermöglicht werden. Diese grundsätzlichen Aussagen
der vorausgegangenen Konferenzen sollen im Folgenden weiter vertieft werden.
Denn Frauenanliegen sind von gesamtgesellschaftlichem Interesse.
Daher soll jede Form von Verletzung von Frauenrechten kritisiert und
bekämpft werden.  Zwangsehe, FGM, Ehrenmorde und familiäre Gewalt haben
keine Grundlage im Islam.
In der Außensicht manifestiert sich am Bild der Frau im Islam häufig die
Einstellung gegenüber der Religion an sich. Begründet wird damit oft eine
Position der Überlegenheit seitens der Mehrheitsgesellschaft.  Mangelndes
Wissen erschwert eine sachliche Auseinandersetzung. Werden Musliminnen vor
allem als “Opfer” wahrgenommen, so drängt sie dies in ein Rollenklischee.
Sich daraus zu lösen gelingt paradoxerweise schwer, solange die
Mehrheitsgesellschaft an der Vorstellung der “religiös gefesselten” passiven
muslimischen Frau festhält und Barrieren bereithält, will sie als sichtbar
den Glauben praktizierende aktive Muslimin das Klischee brechen.
Hier sollen wir zu einer solidarischen Denkens- und Handlungsweise finden.
Frauenfeindliche Strukturen haben verschiedene Ausformungen. Religions- und
kulturübergreifendes Denken wendet sich gemeinsam gegen familiäre Gewalt und
strukturelle Benachteiligungen von Frauen. Die Reflexion über traditionelle
Rollenzuschreibungen und Stereotype kann diese überwinden und Vernetzung und
Zusammenarbeit fördern.
Eine stärkere Differenzierung zwischen Religion und Tradition, die häufig
Frauen benachteiligt und dem Islam zuwiderläuft, ist unabdingbar. Ansonsten
besteht die Gefahr, dass die Religion pauschal verantwortlich für Missstände
gemacht wird und man übersieht, welche theologischen Argumentationsschienen
gerade aufklärend und derartige Traditionen überwindend angezeigt sind.
Gleichzeitig wäre eine Verengung auf eine einzig religiöse Perspektive
unzulässig. Denn die Lebenswirklichkeit von muslimischen Frauen in Europa
ist geprägt von diversen Faktoren, die als solche analysiert werden müssen.
Der Ehrbegriff soll von Imamen analysiert und aus der Religion, im Gegensatz
zu lokalen traditionellen und kulturbedingten Vorstellungen, begreiflich
gemacht werden.
Die verstärkte Partizipation muslimischer Frauen bedarf durchdachter
politischer Konzepte, die Ausgrenzungstendenzen und Diskriminierungen
entgegen treten. Maßnahmen zur Mädchen- und Frauenförderung, die eine
religiöse Grundhaltung anerkennen, wären ein solcher Schritt. Staatlich
geförderte kultur- und religionssensible Beratungs- und Hilfseinrichtungen
von und für muslimische Frauen bieten ein besonders niederschwelliges
Angebot und setzen Impulse der Selbstermächtigung. Frauen sollen frei von
Abhängigkeitsverhältnissen sein.  Der ungehinderte Zugang zum Arbeitsmarkt
ist dabei vordringlich. Unabhängigkeit ist stark an finanzielle
Ungebundenheit und damit Beschäftigung gebunden, wobei die Politik
ausgleichende und gerechte Vorkehrungen treffen kann, damit Väter und
Ehemänner nicht vordringlich als Versorger betrachtet werden müssen.
Kopftuchverbote sind kontraproduktiv, da sie Frauen von wesentlichen
Bereichen des Lebens ausschließen. Im Widerspruch zum Recht auf freie
Religionsausübung grenzen sie islamisch gekleidete Frauen aus und bewirken
damit in vielen Fällen genau jenen Rückzug, den sie zu bekämpfen vorgeben.
Zusätzlich laden Verbote die Diskussion emotional weiter auf und festigen
Klischees, indem sie ihre Begründung just aus der Argumentation beziehen,
die Kopftuchträgerinnen mit ihrem sichtbaren Teilhaben an der Gesellschaft
überwinden können: Das Kopftuch sei ein Symbol der Unterdrückung und des
Zwangs, ein politisches Zeichen für eine extremistische Haltung und nicht
konform mit europäischen Vorstellungen des Geschlechterverhältnisses. Die
Bevormundung muslimischer Frauen, indem ein Teil der Glaubenspraxis von
außen interpretiert und verurteilt wird, spricht ihnen ihre Mündigkeit ab
und kann damit Polarisierungstendenzen verschärfen. Das
Selbstbestimmungsrecht der Frau soll aber außer Frage stehen – nach innen
wie nach außen.
Auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft besteht vermehrter
Handlungsbedarf. Bewusstseinsbildung gegen jeden Missbrauch von Religion
soll gefördert werden. Gleichzeitig bekennt sich die Konferenz dazu, dass
auch im Bereich Ehe und Familie auf Herausforderungen der Moderne auf dem
Boden der Theologie neue islamische Antworten gefunden werden sollen. Diese
können auch in einem Wiederentdecken und neu nutzbar gemachtem Element wie
dem islamischen Ehevertrag liegen. Dieser bietet dem Brautpaar die
Möglichkeit die Zukunft gemeinsam zu überdenken und Vereinbarungen
festzuhalten.

Jugend

Jugendliche verkörpern als Zukunftsträger in besonderem Maße die Vision
muslimischer Europäer – europäischer Muslime, die durch ihre als
selbstverständlich wahrgenommene Identitätszugehörigkeit in beide Richtungen
Brückenbauer und Bindeglieder zwischen den Kulturen sein können.
Die muslimische Jugend soll sich ihrer speziellen Verantwortung in dieser
Richtung bewusst sein. Dazu muss ein entsprechendes, ihre besonderen
Kompetenzen schätzendes Klima vorhanden sein, das Mehrsprachigkeit, rasche
Anpassungsfähigkeit im interkulturellen Bereich und eine aufgeschlossene
Grundhaltung als persönliche Werte erkennt und fördert. Die Aufgabe eine
solche Wertschätzung zu vermitteln und daran angeknüpft Programme zur
gezielten Förderung dieser Talente zu schaffen, liegt sowohl bei den
muslimischen Familien und Gemeinschaften, als bei der Mehrheitsgesellschaft.
Das Potential der muslimischen Jugendlichen soll anerkannt werden. Ihr
Selbstbewusstsein ist zu stärken.
Vorurteile und latente Fremdenfeindlichkeit können zu Abschottung und
Isolation führen, durch die wiederum eine ablehnende Einstellung gegenüber
“den anderen” gezüchtet werden kann. Dadurch können sich Polarisierungen
aufbauen, die gesellschaftspolitischen Sprengstoff bieten. Diese präventiv
anzugehen, bedarf es der im Bereich “Bildung” angesprochenen Maßnahmen.
Muslimische Jugendliche sollen gleiche Möglichkeiten nutzen können wie
Jugendliche der Mehrheitsgesellschaft (Beispiel: Europäische
Austauschprogramme in Schul- und Berufs/Studienbildung, unabhängig von
Staatsbürgerschaft). Jugendliche brauchen eine Perspektive. Sie sollen die
gleichen Chancen vorfinden, im Berufsleben Fuß zu fassen oder eine Wohnung
zu finden.
Jugendliche Selbstorganisation von Muslimen und ihre Vernetzung mit anderen
Jugendorganisationen soll darüber hinaus gefördert werden. Vereine
jugendlicher Muslime weisen jene Merkmale auf, die bei jenen der ersten
Generation noch nicht zu finden sind: die Landessprache als
Kommunikationssprache, keine Einengung der Mitglieder auf ein bestimmtes
Herkunftsland, ein auf die Lebenswirklichkeit im Lande verstärkt
zugeschnittenes Angebot von Aktivitäten. Hier eine sinnvolle
Freizeitgestaltung, emotionale Zugehörigkeit und Verantwortungsgefühl für
ein funktionierendes Miteinander zu erfahren, gibt Halt. Damit werden
indirekt auch Jugendkriminalität, Drogenkonsum und die Verbreitung von
Extremismus wirksam bekämpft.
Die meinungsbildende Rolle der Medien ist besonders bei dem Bereich der
Jugend anzusprechen. Die Wissenschaft soll sich verstärkt besonderen
Phänomen, die die muslimische Jugend betreffen widmen und mit seriösen
Ergebnissen helfen die Diskussion zu versachlichen.

Ökologie

Der Mensch trägt in seiner Funktion als Sachwalter der Schöpfung hohe
Verantwortung für deren Pflege und Erhalt. Natürliche Ressourcen dürfen
daher nur unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sorgsam genutzt werden.

Der Koran warnt den Mensch vor Überheblichkeit in Ausübung seiner
Statthalterschaft:  “Siehe, Wir boten die Verantwortung (“amana” – die
Ausübung von freiem Willen und Verstand) den Himmeln und der Erde und den
Bergen an, doch weigerten sie sich, sie zu tragen und schreckten davor
zurück. Der Mensch lud sie sich jedoch auf; denn er überschätzt sich und ist
eingebildet.” (33.72) Das natürliche Gleichgewicht der Natur soll geschützt
und bewahrt werden. Denn so wie sich Wasser, Luft, Erde, belebte und
unbelebte Natur, Tier- und Pflanzenreich aufeinander beziehen, wird im Koran
ein Kreislauf des Lebens wiedergegeben, bei dem Eingriffe negative
Auswirkungen für das gesamte System zur Folge haben könnten. Respekt vor dem
Wunder der Schöpfung Gottes ist geboten, aus dem Respekt im Umgang mit
dieser resultieren soll. Zur Tierwelt  heißt es etwa: “Es gibt kein Getier
auf Erden und keinen Vogel, der auf seinen zwei Schwingen dahinfliegt, die
nicht Gemeinschaften wären so wie ihr.” (6:38)
Die Balance zwischen Nutzbarmachung der Natur und ihrem Schutz schlägt sich
häufig zu deren Ungunsten nieder. Umweltzerstörung als Konsequenz
menschlicher Gier nach maximaler Ausbeutung wird in 20:41 angesprochen: “In
Erscheinung getreten ist Unheil zu Land und Meer als Folge dessen, was die
Menschen anrichteten, damit Er sie einiges von ihrem (Fehl)verhalten spüren
ließe, auf dass sie umkehren.” Muslime sind angehalten sich hier durch ihr
persönliches Verhalten problembewusst zu zeigen und aktive Beiträge zum
Umweltschutz zu leisten.
Um das Wasser kreisen besonders zahlreiche Aussagen. Sparsamkeit im Umgang
wird empfohlen. Etwa ist es verpönt bei der Gebetswaschung unnötig Wasser
rinnen zu lassen. Es bestehen Regelungen  zum Gewässerschutz. Wasser wird
als ein so wichtiges Gut betrachtet, dass ein Grundrecht des Menschen darauf
besteht. Trinkwasser soll darum allgemein zugänglich sein, kann nicht zu
einem Privateigentum mutieren. Im Bereich der frommen Stiftungen, die
testamentarisch von Gläubigen verfügt werden, ist besonders das Schlagen
eines Brunnens empfohlen, um für die Nachwelt eine andauernde gute Tat zu
setzen.
Das Gebot des “Maßhaltens” konkretisiert sich rund um das Thema der Nahrung.
Verwirklicht werden soll der im Islam empfohlene “Weg der Mitte”, hier
zwischen Genuss und Gesundheitsbewusstsein, zwischen Konsum und Bewusstheit
für größere wirtschaftliche Zusammenhänge, die nicht zum Schaden der Umwelt,
seien es Mitmenschen oder Natur gereichen dürfen. Diese Haltung lässt sich
direkt beziehen auf die moderne Forderung nach mündigen Konsumenten, die mit
ihren bewussten Kaufentscheidungen nach ethischen Standards (“fair trade”)
handeln.
Muslime sollen sich verstärkt des Themas “Umweltschutz” annehmen und aktiv
Vernetzungen mit Umweltexperten und zuständigen Abteilungen der
Stadtverwaltung für spezifische Projekte eingehen.
Zu beleben sind islamische Traditionen wie die Stiftung für Fütterung und
Aufnahme für obdachlose Tiere und die Tradition des Bäume Pflanzens als
nachhaltige gute Tat.
Islamische Gebetsstätten sollen das ökologische Bewusstsein der Muslime
widerspiegeln und mit ökologisch verträglichem Baumaterial gebaut zu
Aushängeschildern dieser Einstellung werden.
Dezidiert zu betonen ist, dass Muslime die negativen Auswirkungen der Kriege
und eingesetzter chemischer Waffen auf die gesamte Natur besorgt verfolgen
und eine Dokumentation verlangen. Die Kriegsbetreiber sind zur
Wiedergutmachung auch dieser Zerstörungen und ihrer Wirkungen auf den
Menschen zu fordern.

Wien, am 8. April 2006

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